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Der Schlangenkönig und seine Krone
Eine mündliche Überlieferung aus Nagold
Bei Wildberg badete sich oftmals in der Nagold eine Schlange, die trug eine Goldkrone auf dem Haupt. Vor dem Baden aber legte sie jedes Mal die Krone ab. Das hatte ein Mann aus Wildberg gesehen und passte ihr eines Tages ab, als sie ins Bad gegangen war, und stahl ihr die Krone, ohne dass sie es merkte, und flüchtete damit auf einen Baum, der in der Nähe stand. Als die Schlange nun aus der Nagold kam und ihre Krone nicht mehr fand, gab sie einen hellen, schrillenden Ton von sich, worauf mehr als hundert Schlangen von allen Seiten herbeieilten und überall hin- und herliefen und die Krone suchten. Hätten sie den Dieb erwischt, so würden sie ihn umgebracht haben. Allein sie entdeckten sein Versteck nicht und gingen traurig wieder fort.
Gegen Abend kam die kronentragende Schlange, welche ein Schlangenkönig war, wiederum an den Platz, wo sie sich gebadet und ihre Krone verloren hatte und starb auf der Stelle. So sehr bekümmerte sie der Verlust der Krone.
Andere sagen, man könne dem Schlangenkönig am leichtesten die Krone entwenden, wenn man einen schweren Stein darauf decke, sobald er sie abgelegt. Dann schwingt er sich in die Höhe und schießt so lange auf den Stein herab, bis er tot liegen bleibt.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852