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Der Schierle-Urban
Mündlich und schriftlich aus Friedingen. Schierle oder Schürle ist eine kleine Scheuer und bezeichnet einen kleinen Hof im Donauthal zwischen Friedingen und Beuron, wo der Urban gewohnt hat. In der Nähe sind die Schürlewiese und der steile Schürlefelsen, bei dem die Donau sehr tief ist.
Ein alter, glaubwürdiger Mann aus Friedingen erzählte folgende Geschichte:
Mein Aehne und der Schierle-Urba find emol im hoaßa Summer über Feald ganga. Nu, wie ma so schwätzt um d'Langweil z'vertreiba, sind se an dees und an dieses, und z'lezta au dara kumma, daß es doch in der Wealt viel Wunderlis giab, dees kon Duifel begreifa ka. Do hot nu mein Aehne g'sait: „aber du Urba, do hont se vora paar Taga wieder davon g’ſait, du könneſt au hexa. Aber dees glaub i bi Gott doh nit!„ „Kaspar, hot druf der Urba versetzt, soll i a Weatter macha? 's ist hüt doch so siedig bruotig hoaß; so a Weatterreagle dät gwiß küahla.“ Mein Aehne hot’n druf ausg'lacht und hot g'sait: „Kerli, mach mi zu kom Narra! Du a Weatter macha! dees mött i au siah.“
Mit deana Reda sind se uf oanmol annen Stoanhaufa kumma, und do ist der Urba na, und auhne nu a stearbes Weartle z'saga dreimol hinterfür um de Stoanhaufa rumg'sprunga. Mein Achne hot em zuegucket und hot g'lachet, daß em fast der Bauch versprungan ist; er hot nemli gmont, er wöll de G'spaß weiter treiba. Abers Lachan ist em bald verganga; denn uf oanmol hots gweatteri und blitzt und durnet, as ob der Himmel rafalla wött.
„Um tausad Gottes Willa, Urba, was bist du für a Ma!“ mit deana Worta ist mein Aehne für en nang’fallan und hot beatan und g’heult, bis er'n endli grüert hot. Do ist er no nu wieder dreimol um de Stoanhaufa rumg'sprunga, aber deesmol reat und nit hinterfür, und älls ist vorbei g'sei, und d’Sonna hot so fründli g'scheint, as ob se koom a Stund alt wär.
En-anders mol sind se mit no a paar andera Manna uf de Schierlewiesa gi mäha g'sei; 's ist grad Heuet und am Morga früah g'sei. Do sind au so a paar Rehle, a paar nette, lustige Thierle an Dunem (Donau) rakumma; vermutli hont se reat Durst g’hett, oder hont g'mont, so früah wie sui sei no Niemert uf. Die Manna hont lang zuegucket, wie se g'wata und lustig und vergnügli am Wasser rumtrapplet sind. Do hot mein Aehne g'sait, ganz unschuldig, hot natürli an nints denkt, und selle Affäre uffam Hardt mittem Weatter hot er schau wieder nausg'schwitzt g'hett; er hot also g'sait: „wemmer die nu hüba hättet!“ Sie sind nemli über der Dunem düba g'sei. Do hot no der Urba g'sait: „wie wärs, wenn se zu eins kämet?“ „Ja wenn dees g'schäh!“ hont die Andera g'sait; hont aber natürli an nints denkt. Doch mein Achne ist ganz mäusle still woara; denn jetz ist em wieder sell ander G'schicht eing'falla. Der Urba aber iß uf de Boda kniet, hot ebbes für si na brummlet und hot no d’Händ ausg’streckt. Do hont de Rehe uf oanmol a mörderisches Geschrua ausglau, dees ist oam dur Hearz und Mark ganga. Und wie wenns ebber treiba dät wider ihrn Willa sind se langsam mitten dur Dunem g'schwomman und bis zu deana Manna kumma; se hont aber am ganze Leib zittert wie an Eschp, und g’schwitzt ärger as a Bierlump. De Thierle hont se grausig duret und se hont dees net mit anseha könne; drum hont se den Urba beattelt und beata, bis er se hot gau lau; dees hot er endli dau, nu hot er deana Rehe no dees g'sait: „merket ui, wemma am Morga z'bald anfangt, treibt mas gewöhnli it bis z'Obed, und d'Stier, die z'hitzig anziehet, lället bald“1) und as ob se's verstande hättet, sind se no langsam davo ganga.
Der Urba aber hots druf nimma lang triba. Sein Weib hot nemli em Buchemer Pfarr iahr häuslis Loadwesa bichtet, daß iahr Ma nit in Kirch gang und nu älleweil fluoch und schwör wie a wahrer Türk. Do hot der Pfarr dem Weib grata, es soll guckan obs nints b’sundres in seina Kloader find, und dees soll es in der Naht am zwölft hinterfür über de Schierlefelsan in Dunem nawearfa. Sein Weib hots so g’macht und hot a Päckli im linka Hofasack g'fundan und hots gnumman und ist mit uf de Schierlefelsan und hots hinterfür nagworfa. Aber do wärs vor Schreackan und Angst fast umkumma, so wüst hots in der Dunem dau; der loadig Duifel in der Höll kan it so dua.
Am Morgan aber, do hots dahoam mittem Ma schier Händel gea; 's Weib hot z'airsta älles g'laignet, z'lezta aber älles g’standa; und do ist er eigentli no froh g’sei, daß es so ganga ist, und von dort a hot ma kon brävera Ma finda könna.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852