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Die spitzigen Jungfern
Mündlich aus Herbrechtingen
Zwischen Herbrechtingen und dem Weiler Eselsburg stehen zwei hohe spitzige Steine am Wege, die man gewöhnlich die spitzigen Jungfern nennt. Damit verhält es sich so: Auf der alten Eselsburg dienten einmal zwei Mädchen, die mußten jeden Tag einen großen Kübel voll Waßer aus der Brenz holen und den steilen Berg hinauftragen. Da klagten sie sich gegenseitig ihre Noth, als sie den schweren Kübel eben gefüllt hatten und nach wenigen Schritten schon sich ausruhen mußten, und sagten: sie möchten lieber nur zu Stein werden, als das Wasser den Berg hinaufschleppen. Da sind sie augenblicklich versunken und verschwunden. An derselben Stelle aber wuchsen nachher die zwei spitzigen Steine nebst dem Wasserkübel aus der Erde wieder hervor; und deshalb weil sie gewachsen sind, sollen die Steine oben so spitz geworden sein.
Andre sagen: die zwei Mädchen hätten mit den Fischern an der Brenz eine Liebschaft angefangen und seien deshalb auch so weit im Thale fortgegangen. Weil sie nun eines Tages allzulang ausblieben, so soll ihre Herrin von der Eselsburg sie zu Steinen verwünscht haben, worauf sie plötzlich versteinert dagestanden.
Früher sah man noch eine lange steinerne Tragstange, die oben an dem Wasserkübel befestigt war, jetzt aber, so wie der Kopf der einen Jungfer, herabgefallen ist.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852