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Das Mutesheer in Betzingen

  Eine mündliche Überlieferung aus Betzingen

In Betzingen und der Umgegend lässt sich das Mutesheer gewöhnlich nur zweimal des Jahres hören, nämlich im Frühling und im Herbst. Es kommt, wie einige sagen, in einem großen Wagen, den weißscheckige Pferde ziehen, durch die Luft. In dem Wagen aber sitzt der Teufel mit seinem Reich und Gesinde und fährt spazieren. Dabei rasseln die Wagenketten gewaltig und eine laute Musik wird dazu gespielt. Ein Mann aber reitet voraus und warnt die Leute, indem er beständig ruft: »Außem Weg! Außem Weg !« Wer diesen Ruf hört, muss sich sogleich mit dem Gesicht auf die Erde werfen. Ist das Mutesheer dann vorbeigefahren, so kommt noch ein sausender Wind, der zuweilen nur über einen ganz schmalen Strich hinzieht, sodass jemand, der außerhalb des Zugs sich befindet, oft wenig oder gar nichts davon verspürt. Wen dieser Wind aber fasst, den reißt er gewöhnlich um. Ganz furchtbar saust und braust das Mutesheer, wenn es durch einen Wald zieht.

Einige alte Leute erzählen auch so: Das Muotesheer seien Menschen, die unten statt der Füße einen Fischleib hätten und so durch die Luft flögen. Der größte Fisch soll voranfliegen und die Leute warnen, aus dem Weg zu gehen. Das Heer selbst aber macht so wunderschöne Musik, wie kein Mensch sie machen kann. Kommt es recht zeitig im Frühjahr, so wird alles bald grün und es gibt ein fruchtbares Jahr, kommt es später, so gibt es einen späten Frühling.

Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852