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Das Rockertweible 5
Mündliche Überlieferungen aus Gernsbach und Lossenau
Gegen Morgen von Eberstein liegt der Schwann, ein hoher Bergwald , daran stößt der Rockert, der bis nach Reichental geht. Der Rockertwald hat drei Teile, den vorderen und hinteren Rockert. Darin geht seit manchem hundert Jahr eine Gräfin von Eberstein und klagt ihre Schuld. Viele Leute haben sie gesehen und nennen sie das Rockertweible. Ihr Mieder und Rock sind von schwarzer Seide, denn sie war damals in Trauer um ihren verstorbenen Mann. Auch trug sie eine Haube von schwarzem Samt mit einem schwarzen Federbusch. Diese Gräfin wollte den Rockert denen von Hilpertsau und Reichental entziehen und sprach ihn zu Eigen an. Es ward ein Manngericht von Grafen und Rittern berufen und sie sollte einen Eid schwören, dass der Wald ihr eigen sei. Nun trug sie einen Löffel in ihrem Federbusch versteckt, und weil man die Löffel »Schöpfer« hieß, so schwur sie: »So wahr mein Schöpfer über mir ist, so gehört der Rockert mir und meinen Söhnen!« Da ward ihr mit Urteil und Recht der Wald zuerkannt. Sie starb aber nach wenigen Tagen und geht seitdem im Rockert. Man hat sie oft gehört, wie sie mit vielen Hunden das Wild hetzte. Gewöhnlich aber hört man sie klagend Hu hu! rufen, sodass es in Tal und Berg vernommen wird. Wer ruhig vorübergeht, dem tut sie nichts. Wer sie aber ausspottet, dem sitzt sie auf den Rücken und er muss sie den Berg hinauf und hinab bis an den Bach tragen. Dort hört man sie dann wie einen Maltersack in das Wasser fallen. Sie hat auch schon einmal drei Männer in den Gumpen eingetaucht. Besonders spukt sie auf der Gättelwiese, die unten am Rockert liegt. Man hat sie auch ehemals sehen können, aber jetzt erscheint sie nicht mehr.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852