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Ranzenpuffer 8
Eine mündliche und schriftliche Überlieferung aus Derendingen von einem Mann, der diese Erzählung in Lustnau gehört hatte
Der Schimmel, auf welchem Ranzenpuffer ritt, war ein hohes, vortreffliches Pferd, das er sich aus dem Meer geholt hatte. Er ging nämlich auf Anraten eines anderen Geistes einst am Karfreitagmorgen vor Sonnenaufgang ans Meer. Da stieg der herrliche Schimmel daraus hervor und ließ sich von Ranzenpuffer an den Ohren fassen und ließ ihn aufsitzen und trug ihn ohne Sattel und Zaum, wohin er wollte. Ein Schimmel überhaupt ist ein edles Tier, denn er hat Himmelsfarbe. In der Hölle gibt es deshalb auch bloß schwarze Rappen. Mit diesem Schimmel nun konnte Ranzenpuffer sowohl in der Luft als auch auf der Erde und auf dem Wasser reiten und trieb allerlei Possen mit demselben. So kam er einmal auf die Walddorfer »Hud« geritten, band seinen Schimmel an eine Eiche und ließ ihn weiden, warf dann eine ganze Weile lang mit Steinen und Stöcken nach den Leuten, stieß ihnen das Holz, das sie gemacht hatten, durcheinander, löste darauf seinen Schimmel wieder und jagte davon.
An der Blaulach, zwischen Lustnau und Kirchentellinsfurt, hielt er einst nachts um 12 Uhr mehrere Wagen auf, dass sie nicht von der Stelle konnten, und bewarf die Fuhrleute mit Eicheln, mit Forchen- und Tannenzweigen (»Wispeln«). Als er sie endlich weiterfahren ließ, sahen sie ihn in einem Hui! das Tal hinaufreiten, wobei der Schimmel so wütend sprang, dass er Feuer ausschnob.
Ein anderes Mal zeigte er sich auf seinem vortrefflichen Schimmel im Schönbuch, in der Gegend beim Bärloch, und machte daselbst wunderliche Teufelsstreiche. Da verwandelte er sich in einen Hasen und kletterte auf den Bäumen herum, hüpfte dann wie eine Gais, sprang in feuriger Gestalt durch die Menschen hindurch, wälzte sich als Schlange um Eichen und Buchen, also, dass die Menschen in Staunen und Schrecken gerieten. Dann erschien er plötzlich wieder als Ranzenpuffer, nahm sein Gewehr, setzte sich auf seinen Schimmel und ritt weiter. Auch auf dem Einsiedel, wo er eigentlich her war, hat er sich öfters in verschiedenen Gestalten und Verwandlungen sehen lassen, bald als feuriges Reh, dann als feuriger Hirsch und dann mit einem Mal als feuriges Schwein. Und unter solchem Spuk und Spaß sind nach und nach die zweitausend Jahre, die Ranzenpuffer als Geist hat umgehen und schweben müssen, wahrscheinlich jetzt abgelaufen, denn in der neuesten Zeit lässt er sich nicht mehr sehen und wird nun wohl erlöst sein.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852