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Die Erdmännle bei Dornhan 1
Eine mündliche Überlieferung aus Dornhan und Boll bei Oberndorf
Hinter dem Buchwald, drei Viertelstunden von Dornhan entfernt, liegt der »Spaltberg«. Der hat seinen Namen von einer Felsspalte, welche den Eingang zur Wohnung der »Erdemännle« bildete. Ehemals war hier ein Schacht, der bis ins Dobeltal führte. Jetzt ist er aber verfallen. Die Erdmännle, welche in dieser Höhle hausten, waren ganz kleine Leute, etwa zwei bis drittehalb Schuh hoch, und waren verheiratet mit ebenso kleinen Erdweiblen und bekamen Kinder miteinander. Des Nachts gingen sie zu den Menschen in die Häuser und kehrten die Stuben aus, fütterten und melkten das Vieh, und besonders gern kamen sie, wenn man backen wollte, und machten die Brodlaible.
In der Mühle zu Bettenhausen, eine Stunde von Dornhan, haben sie oft Korn mahlen lassen und dem Müller dabei geholfen.
Zu Dornhan kamen sie regelmäßig in das Haus des »Breitebauer« und schafften bei Nacht alles fertig, was zu tun war. Ebenso in Boll bei Oberndorf.
Sie wussten alles. Niemand durfte mit ihnen reden oder sie bei der Arbeit stören. Weil sie aber immer ganz zerlumpt daherkamen, so ließ der Breitebauer in Dornhan ihnen einstmals neue Kleider machen und hängte dieselben zum Fenster hinaus.
Da nahmen sie zwar die Kleider, weinten aber und sprachen: »Wenn man jemand auszahlt, so muss er gehen.«
Und seitdem sind sie nicht wiedergekommen.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852