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Die Zwerge bei Owen
Eine mündliche Überlieferung aus Owen
Alte Leute haben erzählt, dass es einmal eine Zeit gegeben hat, wo die Zwerge über die Menschen geherrscht haben und von diesen abgöttisch verehrt wurden. Sie waren nämlich überaus geschickte Ärzte, kannten die Kräfte der Wurzeln und Kräuter genau und hatten in der Umgegend von Owen viele Schlösser. Dahin gingen dann die Menschen, um sich heilen zu lassen, z. B. vom Aussatz und derartigen bösen Krankheiten. Der ganze Wald zwischen Owen und Frickenhausen, der nach den verschiedenen Teilen besondere Namen führt, zum Beispiel Reigel, Glockenstuhl usw., im Allgemeinen aber der Tiefenbacher Wald heißt, soll ganz voll von solchen Zwergen gewesen sein. Sehr gewöhnlich werden noch jetzt umgehende Geister in diesen Wald »beschworen« und gebannt, daher es nicht geheuer darin ist.
Von jenen Zwergen aber sagt man, sie seien aus dem Morgenland zu uns gekommen und hätten sich später wieder dahin zurückziehen müssen.
In dem Tiefenbacher Wald hat aber noch lange einer gehaust. Man hat ihn nur das »lederne Mändle« genannt, das hat oft die Menschen erschreckt, geneckt und irrgeführt. Auch glauben die Kinder, dass dies kleine Männlein das Echo hervorbringe, und wenn sie ein solches im Tiefenbacher Wald oder sonst wo hören, so sagen sie: »Das lederne Männle schreit.«Ebenso glaubt man in Beuren (zwischen Neuffen und Owen gelegen), dass das Echo von einem ledernen Männle oder Zwergle herrühre.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852