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Die Schlüsselbergerin
Mündliche Überlieferung aus Königsbronn
In der Nähe von Königsbronn, kaum 300 Schritt vom Ursprung der Brenz entfernt, erhebt sich ein steiler, riesenhafter Fels, der Herwartstein, auf dessen Gipfel früher die feste Burg Herwartstein lag. Hier wohnte einst eine Gräfin von Helfenstein, die man gewöhnlich die Schlüsselbergerin nennt. Dieselbe tat viel Gutes, solange sie lebte, und machte eine Stiftung, wonach alljährlich am Tag des heiligen Veit (am 15. Juni) unter die Armen Brot und Geld verteilt werden sollte, und zwar sollte dies immer durch den jedesmaligen Ortspfarrer geschehen. Sie hatte aber gedroht, wenn diese Austeilung je unterbleibe, so würde sie selbst kommen und den Pfarrer mahnen. Der Pfarrer Steinhöfer vergaß einmal den Tag. Da kam in der Nacht die Schlüsselbergerin, klirrte mit ihren Schlüsseln und zog an der Glocke des Hauses.
Auf dem Schloss Herwartstein, von dem fast nichts mehr zu sehen ist, soll sich früher oft am hellen Tag eine weiße Jungfrau gezeigt haben.
Vom Herwartstein bis in das Kloster zu Königsbronn führt ein unterirdischer Gang.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852