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Das Nachtfräuleinsloch

  Eine mündliche Überlieferung aus Pfullingen

Auf einem Vorhügel des Urschelberges, auf dem sogenannten »Hörnle«, befindet sich eine Grube, die das »Nachtfräuleinsloch« heißt. In dies wirft jeder, der daran vorübergeht oder fährt, einen Stein, indem er sagt: »Wir wollen den Nachtfräulein auch ein Opfer bringen.« Wer dies Opfer aber nicht bringt, dem legen die Nachtfräulein einen Stein so in den Weg, dass er darüber fallen muss, oder sie spielen ihm auf eine andere Weise einen Streich.

Vor einigen Jahren hat man dies Loch untersucht und weiter darin nachgegraben, aber keinen Grund gefunden. Kein Strick war lang genug, die Tiefe desselben auszumessen. Deshalb hat man es endlich mit breiten Steinen zugedeckt. Eine Vertiefung jedoch ist geblieben, und die Vorübergehenden werfen noch beständig einen Stein dahinein. Wenn dieses Loch einmal ganz ausgefüllt sein wird, dann sind die Nachtfräulein, die man auch »Nonnen« nennt, erlöst, und dann wird Pfullingen die glücklichste Stadt des Landes werden.

Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852