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»Der Narr ist aus dem Häusel gekommen«
Dies pflegt von einem ausgelassenen Menschen gesagt zu werden. Die Redensart kann davon herkommen: Eine uralte Art der Beschimpfung ist es gewesen, wenn Diebe, die Feld- und Gartenfrüchte gestohlen, in das sogenannte Narrenhäusel gesteckt worden sind, wie solche sonderlich in den teuren Jahren 1771 und 1772 fast in allen gebirgischen Städten sind errichtet worden. Ein solches Haus stand noch im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts auf dem Markte zu Lößnitz; es sah wie ein Käfig aus und konnte herumgedreht werden. Personen, die da hineingesteckt wurden, hatten von den Gassenkindern, welche das Haus bald gedreht, bald mit Steinen und Kot den Gefangenen geworfen, allerlei Schmach zu erleiden. (Oesfeld, Hist. Beschreibung einiger merkwürdigen Städte im Erzgebirge, insonderheit der Hochgräflich Schönburg. freyen Bergstadt Lößnitz etc. 1776, S. 11.)
Auch in Leipzig gab es zwei solche Narrenhäuschen, das eine war bei den sogenannten Brotbänken am Naschmarkte und das andere an der Thomaskirche. Das erstere diente für Skandalmacher, Verläumder und losmäulige Frauen, während letzteres unter geistlicher Jurisdiktion stand und für diejenigen bestimmt war, welche als Flucher und Gotteslästerer bezichtigt waren. In Oschatz ist noch jetzt (?) im Winkel nächst den Stufen, die durch den vom Ratsarchive gebildeten Schwibbogen vom Markte zum Stadtkirchhofe führen, das von Eisengitter nach Art eines Käfigs gebildete Narrenhäuschen vorhanden. (Schäfer, Deutsche Städtewahrzeichen, 1. B., S. 54.)
Quelle:
- Dr. Joh. Aug. Ernst Köhler:Sagenbuch des Erzgebirges, Verlag und Druck von Carl Moritz Gärtner, 1886.