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Unter der Naxburg

Unter der Naxburg, einem waldigen Kegel, worauf ehedem ein Ritterschloss gestanden hatte, kreuzen sich vier Wege der nächstgelegenen Orte Freiensteinau, Ober- und Niedermoos und Gunzenau. Der Platz ist sehr verrufen und Gespenster gehen dort um.

Ein Pfarrer, der am Morgen des Himmelfahrtstages daher ritt, um in Niedermoos das Heilige Abendmahl zu reichen, sah zwei schwarze Männer nebeneinander in ganz altmodischer, unbekannter Tracht vor sich auf und ab wandeln, welche, als er auf sie zutritt, eilig quer über den Weg huschten und in Luft zerflossen.

Wieder einem anderen begegnete es, dass, als er im Herbst bei der Dämmerzeit auf denselben Pfad kam, er sich plötzlich in einem Haufen reisiger Knechte zu Fuß und zu Ross befand, welche neben ihm laut riefen und sangen, während ihre Helme glänzten und ihre Schwerter und Partisanen an den Hüften klirrten. Er rief sie im Namen Gottes an, da verschwanden sie im Berg.

Ein Dritter ging auch zur Nachtzeit den Weg. Da hüpfte immer vor, hinter und neben ihm ein Lichtchen her, dass ihm das Ding bedenklich vorkam. Er fragte deshalb: »Wer bist du?«

Da antwortete es aus dem Lichtchen mit Menschenstimme: »Ein Kind des Lichts.«

»Bist du ein Kind des Lichtes«, sprach der ehrwürdige Herr, »warum wandelst du in Finsternis?«

Auf diese Frage tat es einen lauten, schmerzlichen Seufzer, und das Licht war im Augenblick erloschen.

Quelle: Oberhessisches Sagenbuch, Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald; Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873