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Der wilde Jäger und der Vogelhändler

Ein Mann von Eschenrod, der alte Böcher, gab sich damit ab, im Winter die Tannenfinken lustige Stücklein zu lernen, damit verdiente er sich manchen Kreuzer. Nun war er einmal in der Adventszeit nach Michelbach gegangen, um Vögel einzuhandeln, und hatte auch eine schöne Partie bekommen. Die trug er in der Hand in einem geflochtenen Korb bei sich. Dazumal lag aber schon tiefer Schnee überall, und der Weg ging glatt (sehr) bös; da wird so ein alter Mann hundsrackermüde.

Als er oben an die Bäume über der Maalsbach kam, sah er unten an der Bach einen großen Schlitten und einen einzelnen Mann mit Hunden dabei. Da freute er sich nicht wenig und rief ihm zu: »Wartet mir, wartet mir, ich will mitfahren!« Richtig kam er auch an das Gefährt, denn er war tapfer drauf losgegangen.

Die Hunde liefen aber so unheimlich um ihn herum und schnupperten an ihm und seinem Vogelkorb herauf. Wie er es recht weiß wurde, wuchsen sie größer und größer von Minute zu Minute. Auch der graue Mann sah so fürchterlich groß und gruselig sich an, dass ihm eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken lief.

In seiner Herzensangst fing er laut an zu beten:

Weicht ihr Trauergeister,
Denn mein Freudenmeister
Jesus tritt herein.

Wie er das Wort Jesus aussprach, war es, als führe der Sauzahl1) in die Höhe, und von dem Jäger, dem Schlitten und den Hunden war auch nicht mehr eine Spur zu sehen.

Das ist eine Grundwahrheit, der alte Böcher hatte es in der Spinnstube gar dick die Rede gehabt, man darf es weitererzählen, dass es gerade so vorgegangen ist.

Quelle: Oberhessisches Sagenbuch, Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald; Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873


1)
Zusammengezogen aus Sau – zagel, der Wirbelwind, eigentlich Name des Teufels, der nach dem Volksglauben diesen Wind erregt.