<<< vorherige Seite | Frankfurt und Umgegend | nächste Seite >>>

Der Hahn auf der Sachsenhäuser Brücke

  S. Grimm, Deutsche Sagen Bd. I. Nr. 186 S. 234.

In der Mitte der Sachsenhäuser Brücke sind zwei Bogen oben zum Theil nur mit Holz zugelegt, damit dies in Kriegszeiten weggenommen und die Verbindung leicht, ohne etwas zu sprengen, gehemmt werden kann. Davon giebt es folgende Sage.

Der Baumeister hatte sich verbindlich gemacht, die Brücke bis zu einer bestimmten Zeit zu vollenden. Als diese herannahte, sah er, daß es unmöglich war, und wie nur noch zwei Tage übrig waren, rief er in der Angst den Teufel an und bat um seinen Beistand. Der Teufel erschien und erbot sich, die Brücke in der letzten Nacht fertig zu bauen, wenn ihm der Baumeister dafür das erste lebende Wesen, welches über die Brücke gehen werde, überliefern wolle. Der Vertrag wurde geschlossen und der Teufel baute in der letzten Nacht, ohne daß ein Menschenauge in der Finsterniß sehen konnte, wie es zuging, die Brücke ganz richtig fertig. Als nun der erste Morgen anbrach, kam der Baumeister und trieb einen Hahn über die Brücke vor sich her und überlieferte ihn dem Teufel. Dieser aber hatte eine menschliche Seele gewollt und wie er sich also betrogen sah, packte er zornig den Hahn, zerriß ihn und warf ihn durch die Brücke, wovon die zwei Löcher entstanden sind, die bis auf den heutigen Tag nicht können zugemauert werden, weil Alles in der Nacht wieder zusammenfällt, was Tags daran gearbeitet ist. Ein goldener Hahn auf einer Eisenstange steht aber noch jetzt zum Wahrzeichen auf der Brücke.

Nachdem im Jahre 16351) in der Vitzthumschen Belagerung dieser Hahn abgeschossen worden ist, ist an dessen Statt ein anderer aufgesteckt und in denselben folgende Verse auf Pergament geschrieben inwendig hineingethan worden.

Und war ihm da sein letzter Lohn
Daß ihm die Schwedisch Garnison
Zu Sachshausen damals logirend,
Und die Inwohner wohl vexirend,
Nachdem er lang am Main gewacht
Durch einen Schuß herunterbracht
Dardurch er ins Wasser baden ging
War vorhin nicht gewohnet der Ding
Da man einen neuen gesetzt hat
Der nun vertritt des alten Statt.
Inskünftig auch der kann zeigen an
Wie's gegangen ist dem alten Hahn.
Der neue Hahn ward aufgesetzet hier
Den eilsten Tag Januarij
Des nächst darauf folgenden Jahr
Als eben damals Bauherrn waren
Herr Hans Heinrich zum Jungen genannt
Herr Philips Leuthwein auch nach der Hand
Und endlich weiland Herr Hans Hammer
Der kurz zuvor aus diesem Jammer
Ist abgeschieden aus der Welt
Eh' der neu Hahn ward aufgestellt.
Der diesen Rhythmus machen thät
Heißt Johann Flitner ein Poet
In seiner Jugend coronirt
Und mit dem Lorbeerkranz geziert
War im Latein besser: ein Frank
Darum er auch den Wein gern trank.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71


1)
S. Lersner S. 26.