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Die Kastanie von Grabig - und Der Mordbaum beim Dörfchen Grabig

  Sagensammlung von M. Rothe,
  R. Scharnweber und O. Jungrichter: Sagen, Anekdoten und Schnurren aus dem Kreise Luckau N.-L., Berlin 1933

Sie ist ein in der Geschichte noch junger Baum. „Nur„ rund 105 Jahre alt soll sie inzwischen sein, doch dafür könnte sie uns sehr viel berichten, wenn sie sprechen könnte. Es ist die alte Kastanie (Aesculus hippocastanum L.). Im Rahmen einer von den Mitgliedern des Vereins der Freunde zur Förderung der Heimatschrift „Finsterwalder Heimatkalender“ e. V. organisierten Himmelfahrts-Wanderung am 25.05. 1995 wurde auch dieser Baum besichtigt. Jedoch hat es in früheren Zeiten in der unmittelbaren Nachbarschaft der Kastanie einen weithin berüchtigteren Baum gegeben. Das war „Der Mordbaum beim Dörfchen Grabig„.

Die Sage dazu, die inzwischen in den Dörfern Dabern, Gahro, Weißagk und Pahlsdorf kursiert, lautet in etwa so: „Es war einmal ein Bauer aus den Nachbardorfe Döbern = Dabern, der hatte immer Streit mit der Obrigkeit, denn man hatte ihn vor Jahren ei nes seiner von ihm gehegten, gepflegten und bestellten Felder und eine kleine Abteilung Wald des seit unzähligern Jahren wüst liegenden Dörfchens Grabig weggenommen. Einer derjenigen, der einen großen Anteil daran hatte war der Gendarm und Waldreuther. Seitdem trachtete der Bauer danach, diesen Gendarm eins auszuwischen, das hatte er geschworen. Doch in jedem Dorfe gab es auch Verräter, und so hatte es der Gendarm erfahren.

Der Gendarm beobachtete ständig den Bauern. Einmal traf er diesen in seiner ehemaligen Waldparzelle an und vermutete, daß der Bauer wilddieben wollte. Da er zu Pferde war und der Bauer zu Fuß jagte er ihn. Der Bauer jedoch rannte hinter einen großen und alten Baum, der Gendarm immer hinterher. Aber er konnte den Bauern nicht fangen, auch nicht mit seinem Säbel schlagen. In seiner Angst griff der Bauer zu seiner Flinte und so wie beide immer um den Baum herumjagten, war seine Angst groß.

Irgendwie gelang es dem Bauern, die Flinte zu laden und auf den Gendarmen zu schießen. Dieser fiel um und war sofort tot. Die ganze Sache kam heraus und der Bauer in „Priesonk“. Dort, wo der Bauer den Gendarmen totgeschossen hatte, pflanzte man zur Erinnerung an diese böse Tat eine Fichte, und das ist an dem alten Weg von der Chaussee an Grabig vorbei nach Pahlsdorf zu. „

In der Umgebung dieser alten Kastanie waren noch lange mehrere etwa gleichaltrige Buchen und einige uralte Äpfelbäume vorhanden. Doch nun noch etwas zu der alten Kastanie. In ihrer Kindheit wuchs sie auf dem Hofe einer Försterei, die den Namen des untergegangenen kleinen Dörfchens trug, Försterei Grabig. 1932 sah sie, wie die große Scheune der Försterei durch Brandstiftung vernichtet wurde. Später erlebte sie die zahlreichen Fliegerangriffe auf den Feldflugplatz Gahro, und noch viel später mußte sie mit ansehen, wie das letzte Wohnhaus, also die Försterei, abgerissen wurde. Dann herrschte Stille, solange bis Finsterwalder Bodenforscher kamen, und anfingen, die Umgebung systematisch zu erforschen. Nach dem bisherigen Erkenntnisstand standen an einem alten Wege vier oder 5 Gehöfte. Alte Ackerflächen, die sogenannten Hochäcker, waren immer noch zu erkennen. Dann gab es auch noch einen alten Holzkohlenmeiler-Überrest. Nach alter Literatur hatte es auch einmal in Grabig einen Pechofen gegeben.

Doch was sie nicht sehen konnte, das fand vor ca. 5 000 Jahren statt. Da siedelten nämlich bereits Menschen der Jungsteinzeit und vor ca. 2 500 Jahren sogenannte „Westgermanen“ in der unmittelbaren Umgebung. Was die alte Kastanie wieder hätte sehen können, ereignete sich im Jahre 1934, als Bauern anfingen, große Feldsteine zu sammeln. Dabei wurden dann zwei „westgermanische„ Tontöpfe der frühen Eisenzeit entdeckt.

Quelle: Sagen aus dem Heimatkreis Finsterwalde 2020. Nr. 12