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Dieb gezeichnet

  Mündlich von Frau Courtmans

In Antwerpen hat sich einmal folgende Geschichte zugetragen.

Einem Mädchen war eine goldene Kette gestohlen worden, und es ging zur Kartenseherin, um die zu fragen, wer der Dieb sei. Die Hexe sprach: „Das will ich euch wol zeigen, aber ihr müßt Muth haben, sonst geht es nicht.“ Deß war das Mädchen zufrieden, denn sie hatte nie Angst gehabt; und das Weib setzte einen Kessel mit Wasser auf den Herd und gab dem Mädchen eine große Stopfnadel in die Hand und fprach: „Nun gebet acht; wenn das Wasser kocht, hebe ich den Deckel von dem Kessel und der Dieb springt heraus; dann seid schnell und zeichnet ihn tuchtig, damit ihr ihn wiedererkennt, wo er euch begegne.“ Als sie dann noch einige Worte still geflüstert hatte, begann das Wasser langsam zu kochen und endlich gar überzulaufen; da hob die Hexe schnell den Deckel ab und es sprang ein Kerl aus dem Kessel; aber das Mädchen war so erschrocken, daß es nicht ans Zeichnen dachte; so entkam der Kerl. Darob war die Hexe wüthend, aber das Mädchen besänftigte sie durch ein schön Stuck Geld und sie setzte den Kessel noch einmal aufs Feuer. Als der Dieb nun aber heraussprang, da war das Mädchen schneller und sie gab ihm einen tüchtigen Streich über den Backen, so daß das Blut herunterlief. „Nun werdet ihr ihn schon finden,“ sprach die Hexe und das Mädchen ging nach Hause. Als der Hausknecht ihr die Thüre aufmachte, sah sie, daß er sein Gesicht verbunden hatte. Das kam ihr sonderbar vor und sie fragte ihn, was ihm fehle. Da er nicht bekennen wollte, was das sei, riß sie ihm das Tuch ab und sah, daß er es war, dem sie die Schmarre gegeben hatte.

Quellen: