<<< vorherige Sage | Deutsche Märchen und Sagen | nächste Sage >>>

Gerhard von Hanebach

  Caesar. heisterbac. dial. mirac. VIII. c. 59.

In dem Dorfe Hanebach wohnte vor längerer Zeit ein Ritter, Namens Gerhard; noch leben mehre seiner Enkel und die Geschichte, welche ich hier erzählen will, weiß jedes Kind in dem Dorfe.

Dieser Ritter Gerhard hatte eine besondere Andacht zu dem heiligen Thomas und begehrte ein Armer in dieses Apostels Namen ein Almosen von ihm, dann weigerte er es nie; auch ließ er zu des Heiligen Ehre viel beten und Messen lesen. Eines Tages geschah es durch Gottes Zulassung, daß der Teufel in Gestalt eines Pilgers an Ritter Gerhards Thür klopfte und um des heiligen Thomas willen sich Nachtherberge erbat. Er wurde mit Freude aufgenommen, und da es kalt war und er sehr zu frieren schien, gab Gerhard ihm selbst seinen guten und wohlgefütterten Ueberwurf, daß er sich damit Nachts decke und wärme.

Am andern Morgen aber war der Pilgrim verschwunden und Gerhards Weib fuhr den Ritter heftig an und schalt ihn, daß er, obgleich schon oft betrogen, doch jedem aufs Wort glaube, wer ihn nur in Thomä Namen um etwas bitte. Gerhard aber sprach ruhig: „Darüber sei zufrieden, Sankt Thomas wird uns den Schaden vergüten.“

Einige Zeit nachher trieb es ihm, das Grab des heiligen Thomas zu besuchen; er rüstete sich und trat vor sein Weib, schnitt vor ihren Augen seinen goldenen Ring in zwei Theile und gab ihr einen; den andern behielt er. Dann sprach er: „Diesem Zeichen sollst du glauben und vertrauen, wenn du es siehest. Ich bitte dich aber, erwarte meine Rückkehr sünf Jahre lang; sind die verlaufen, dann magst du wieder heirathen.“

Sie gab ihm ihr Wort und er zog hin und kam nach langen Mühen zur Stadt des heiligen Thomas, welche in Indien liegt. Da wurde er von den Bürgern mit ungemeiner Freundlichkeit und Liebe aufgenommen und sie pflegten sein, als wäre er einer der Ihrigen. Dann ging er zu dem Heiligthume und bat allda innig und andächtig, befahl dem Apostel sein Weib und sein Gut und sich selbst.

Inzwischen aber war der letzte Tag des fünften Jahres genaht und er seufzte in sich: „Wehe mir, nun wird meine Frau einen Andern heirathen!“ Als er nun so traurig da saß und um sich herumschaute, da sah er plötzlich den obenerwähnten bösen Geist in seinem Ueberwurfe unfern spazieren. Bald trat der ihm näher und frug ihn: „Kennst du mich, Gerhard?“- „Nein,“ sprach Herr Gerhard, „dich kenne ich nicht, wohl aber meinen Mantel.“ Da sprach der Teufel: „Ich bin der, der um Thomä, des Apostels willen, dich um Herberge bat und dir deinen Mantel nahm. Dafür habe ich schwer büßen müssen.“ Und er fügte bei: „Ich bin der Teufel und mir ist befohlen, daß ich dich, ehe die Menschen zur Ruhe gehen, nach Hause zurückbringe, denn dein Weib will einen andern Mann heirathen; die Hochzeit ist schon bereitet und sie sitzen am Mahle.“ Da faßte er den Ritter und trug ihn in kurzer Zeit aus Indien nach Deutschland, aus dem Morgenlande nach dem Abendlande, und gegen Einbruch der Nacht, während der Dämmerung noch, setzte er ihn unverletzt auf dem Hofe seiner Burg Hanebach nieder.

Der Ritter trat in der fremden Kleidung, welche er noch trug, in die Burg und fand da seine Frau neben ihrem Bräutigam bei dem Mahle; näher zu ihr tretend, warf er, so daß sie es sah, die Hälfte seines Ringes in ihren Becher und ging wieder weg. Die Frau aber nahm alsbald den halben Ring und hielt ihn zur andern Hälfte, und sie erkannte, daß ihr Mann zurückgekehrt war; sie sprang auf und umarmte und küßte ihn und hieß ihn herzlich willkommen; von ihrem Bräutigame wollte sie nichts mehr wissen. Gerhard aber hielt ihn noch die Nacht bei sich auf der Burg; am andern Morgen erst ließ er ihn ziehen.

Quellen: