<<< vorherige Sage | Deutsche Märchen und Sagen | nächste Sage >>>
Von dem Maler und dem Teufel
Vincent. speculum historiale 1. VII. c. 104. ed. 1494. f. 82. v.
Ein frommer und durch seine Kunst in ganz Flandern hochberühmter Maler pflegte den Teufel stets so häßlich und so abscheulich zu malen, als er nur konnte. Darüber erzürnt, erschien der Satan ihm in einer Nacht und drohte ihm gar sehr, wenn er das noch ferner thun wurde, aber der Maler kehrte sich nicht daran und malte ihn nun noch viel häßlicher denn zuvor.
Eines Tages nun sollte er in der Vorhalle einer Kirche ein Liebfrauenbild malen und da gab er sich denn alle Mühe, um das Bild in rechter Pracht und Glorie darzustellen. Da nun geschrieben steht: „Und der Schlange soll sie den Kopf zertreten,“ so malte er unter der Muttergottes Füße den Teufel und wie immer in finstern, schwarzen Farben und so häßlich, als er es nur vermochte. Darüber wurde der Satan jedoch nicht wenig bose; er frug und erhielt von Gott die Macht, dem frommen Maler zu schaden, aber es fiel zu seiner Schande aus, und zur großern Ehre Christi und dessen heiliger Mutter. Eben war nämlich der Maler noch auf seinem Gerüste mit dem Teufelsbilde beschäftigt, als ein plötzlicher Sturmwind alles untereinander und zu Boden warf. Der Maler konnte nichts anders in dem Augenblicke thun, als Herz und Hand zu der Gottesmutter erheben und siehe, nicht vergebens, denn Maria streckte ihre Hand aus und hielt ihn fest, so daß er nicht fallen konnte; worob alle Anwesenden Gott lobten und des Satans spotteten.
Quellen:
- Johannes Wilhelm Wolf, Deutsche Märchen und Sagen, Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845