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Sankt Gudulen Baum
Kaum hatte man Sankt Gudula, die heilige Magd begraben, als ein Pappelbaum, der nahe bei ihrem Grab stand, plötzlich ins Laub schoss und sich mit schönem Grün bedeckte. Viele sagen auch, der Baum habe früher gar nicht dagestanden, sondern sei erst nach dem Begräbnis der heiligen Jungfrau da gesehen worden. Später hat sich noch ein großes Wunder mit ihm begeben. Als man nämlich die Reliquien Gudulas von Ham nach Moorssel bringen wollte, kam abends ein Vöglein auf den Baum geflogen. Das schlug mit den Flügeln und machte ein gar sonderliches Wesen, sodass Jedermann darüber verwundert stand. Am anderen Morgen aber, als die von Moorssel zu der Kapelle des Heilands kamen, wohin die Reliquien der heiligen Gudula gebracht worden, da stand der Pappelbaum vor der Tür des Kirchleins und der Vogel saß auf dem Baum und sang lustige Weisen. Inzwischen kamen Leute von Ham und die standen stumm, als sie ihren schönen Baum mit dem Vöglein darauf in Moorssel fanden, und waren nicht wenig verwundert; konnten es erst nicht glauben, bis sie nach Ham zurückkehrten und sich überzeugten von der Sache. Da fiel alles Volk auf die Knie und lobte Gott.
Quellen:
- Johannes Wilhelm Wolf, Deutsche Märchen und Sagen, Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845