<<< zurück | Sagen aus Thüringen | weiter >>>

Vorwort

In der Vorrede zu dem ersten Theile dieser Sagen hatte Professor Dr. Witzschel die Hoffnung und den Wunsch ausgesprochen, daß dessen Veröffentlichung dem Unternehmen freundliche Unterstützung, Beihilfe und Ergänzung zuwenden möge, und dann in einem besonderen Flugblatte namentlich die Herren Geistlichen und Lehrer um Beantwortung bestimmt vorgelegter Fragen gebeten. Eine große Anzahl kurzer und ausführlicher Zuschriften war die Folge davon und es lag nun ein reiches Material, namentlich für den Volksaberglauben, vor. Leider aber war es dem um heimatliche Geschichte und Alterthümer so hoch verdienten Verfasser nicht gestattet, dieses Material zu sichten und zu ordnen. Ein frühzeitiger Tod entriß am 9. December 1876 den noch im kräftigsten Mannesalter Stehenden der Familie, der Schule und der Wissenschaft. Es ist hier nicht der Ort, auf die Verdienste des Verewigten näher einzugehen; ein kurzes, aber wahres und treffendes Bild von seinem Leben und seiner Person hat der Director des Gymnasiums Dr. Weniger im Programm von Ostern 1877, S. 13 und 14, entworfen.

Nur ein Theil der in diesen Band aufgenommenen geschichtlichen Sagen lag druckfertig vor; das übrige Material zu sichten und zu ordnen übernahm der Unterzeichnete, obwohl er sich bis dahin mit diesen Gegenständen nicht beschäftigt hatte, aus Pietät gegen den verewigten treuen Freund und um die werthvollen Sammlungen nicht unbenützt liegen zu lassen. Daß sie in fundigerer Hand eine bessere Verwerthung gefunden haben würden, darüber ist er sich keinen Augenblick zweifelhaft, und bittet für die sich findenden Mängel um gütige Nachsicht. Namentlich wolle man die Wiederholungen, die sich trotz mehrmaliger sorgfältiger Durchsicht in der Darstellung der abergläubischen Sitten eingeschlichen haben freundlich entschuldigen. Von den Ortssagen sind manche von geringem Werthe; doch glaubte ich sie nicht ganz weglassen zu sollen. Ganz besonders werden Kenner der Sagengeschichte mit mir bedauern, daß Witschel die erklärenden Anmerkungen nicht vollendet hat, welche Ursprung, Bedeutung und Zusammenhang der einzelnen Sagen mit anderen Sagen, volksthümlichen Gebräuchen und Vorstellungen erläutern sollten. Die wenigen, welche sich ausgearbeitet vorfanden, lasse ich hier folgen.

Eisenach, den 30. Juli 1877

Dr. G. Schmidt