<<< vorherige Sage | Kapitel 3 | nächste Sage >>>
Eine mündliche Überlieferung aus Baiersbronn
In dem Dorf Baiersbronn, im Murgtal, liegt ein sehr alter Hof, der heißt von einem früheren Besitzer, namens Martin, noch immer der »Martisbauerhof«. Dieser Hof soll zu dem ehemaligen Kloster gehört haben. Im unteren Stock des Hauses befindet sich ein Gewölbe, durch welches um Weihnachten regelmäßig das Mutesheer mit Hundegebell und gewaltigem Getöse zu ziehen pflegte. Sobald der Hausknecht es kommen hörte, musste er nur schnell die Tür und Klappe des Gewölbes öffnen, dann fuhr es sausend hindurch. Einmal aber verspätete sich der Knecht, worauf ihm fast der halbe Finger abgeschnitten wurde. Eine Stimme jedoch aus dem Mutesheere rief, er solle nur einen roten Faden um den Finger binden. Und so wie er das getan hatte, hörte das Bluten auf und der Finger war wieder geheilt. In demselben Haus hängen auf dem Boden noch drei alte Ochsenköpfe mit den Hörnern, wie einige glauben zum Schutz gegen das Mutesheer. Der setzige Hausherr aber sagte, diese Köpfe seien in uralter Zeit wegen einer Viehseuche drei lebendigen Ochsen abgeschnitten und an Stricken hier aufgehängt worden. Der eine Kopf hängt im Giebel, die beiden anderen etwas entfernt davon ebenfalls im Giebeldach, und zwar nebeneinander. Sie hängen schon so lange, dass die Stricke bereits vermodert waren und vor einigen Jahren durch neue ersetzt werden mussten. Noch jetzt hängt man in einzelnen Dörfern des Schwarzwaldes Kalbsköpfe im Haus auf, wenn eine Viehseuche ausbricht.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852