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Zu Lustnau ist einmal eine Viehseuche ausgebrochen, daran viel Vieh gestorben sein soll. Da hat man alles, was nur eine Spur von der Krankheit gezeigt, in den Wald getrieben, um es dort totzuschlagen und zu vergraben. Unter diesem Vieh ist auch ein so schönes Kalb gewesen, dass die Leute gesagt haben: »Es ist doch schade, wenn man dies prächtige Stück schlagen und in die Erde graben wollte.« Deshalb beschlossen die Männer, es zu schlachten und das Fleisch mit nach Hause zu nehmen und zu essen. So wie aber der eine das Messer in die Hand nahm, um das Kalb abzustechen, schrie plötzlich Ranzenpuffer: »Halt! Halt!« Denn er wollte das nicht leiden. Sie ließen sich indes nicht stören und schlachteten das Kalb dennoch und nahmen das Fleisch mit heim. Als sie heimgingen, war es bereits Nacht. Sie hatten nun zwar eine Laterne angezündet, allein das Licht wollte immer ausgehen und fiel zuletzt um. Darauf kam ein großer schwarzer Hund auf sie zu und sprang eine Zeitlang um sie herum. Als er aber fortging, brach ein gewaltiger Sturm los, dass man hätte glauben sollen, er werde Eichen umreißen. Mit Zittern und Beben stiegen sie den Berg herunter. Da sprang Ranzenpuffer selbst wieder hinter ihnen her und schrie: »Halt! Halt!« Als sie aber immer noch das Fleisch nicht hergeben wollten, schlug er nach einem, dass er zu Boden fiel. Da sprach ein anderer in großer Herzensangst: »Auf auf, ihr Brüder, und seid stark!« und ferner: »Alle bösen Geister weichen von uns!«
So kamen sie endlich mit Ach und Krach und vom Angstschweiß ganz durchnässt in ihrer Wohnung an. Der Mann, welcher den Schlag bekommen hatte, lag acht Tage lang krank, dass er schier gestorben wäre. Die übrigen aber, welche von dem Fleisch gegessen haben, sind alle fürchterlich stark geworden.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852