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Eine mündliche Überlieferung aus Pfullingen
In Pfullingen liegt eine ganze Häuserreihe, die heißt »Wiel« oder »auf Wiel«. Die Straße, welche daran vorbeiführt, ist die Fortsetzung der »Heergasse«, über welches das Mutesheer hinzieht, und führt weiter nach Genkiengen. In diese Häuser »auf Wiel«, besonders aber in das letzte Haus rechts, kamen des Winters oftmals drei weiße, kleine Fräulein, die man Nachtfräulein oder »Nonnen« nannte. Sie kamen vom Urschelberg her, über den Katzenbohl, durch die Weinberge, und zuletzt durch eine kleine steinerne Tür, die dem letzten Haus »auf Wiehl« gegenüber liegt. Sie besuchten hier die Spinnstube und spannen selbst, solange die Leute aufblieben, setzten sich aber nie ans Licht, sondern hinter die Tür, in einem Winkel oder auch wohl unter den Tisch. Einst schnitt ein Bursche dem einen Fräulein den Faden ab. Da gingen sie gleich fort und sind nie wieder gekommen. Andere sagen, sie hätten die vollen Spindeln immer unter die Bank gelegt. Ein Bursche aber habe sich einst dort versteckt gehabt und in ihr Garn gebissen. Deshalb seien sie weggeblieben. Dem Haus aber hat es keinen Segen gebracht.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852