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Die Schlossjungfer im hohen Michelstein

An sonnigen Tagen im Herbst lässt sich die Schlossjungfer sehen, die im Michelstein wohnt. Sie trägt ein blendend weißes Gewand und hängt ihre Wäsche zum Trocknen hin oder klengt (breitet aus) ihre Knoten auf großen Tüchern am Boden in der Nähe des Felsens.

Jüngst im Sommer ging ein Mann von Landenhausen durch den Wald, da schimmerte ihr helles Kleid durch die Bäume. Sie hatte eine Herde junger Hühner samt der Glucke bei sich, fütterte und liebkoste sie und tat zärtlich mit ihnen. Als der Mann aber näher trat, erschrak das holdselige Fräulein und verschwand sogleich vor seinen neugierigen Blicken. Er wusste nicht, wo es hinkam.

Quelle: Oberhessisches Sagenbuch, Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald; Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873