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Die Ludki

  N. L. Mag. 1813. S. 63. 
  Liebusch, Chron von Senftenberg S. 14, 29. 
  L. Mon. Schr. 1797 S. 743. 
  Haupt u. Schmaler, Wend. Lieder II. 208. 
  Preusker, Blicke II. S. 59., III. S. 177. 
  K. Haupt, l. c. No. 12. 

Die Ludki (d. h. kleine Leute) sind die Zwerge der Wenden. Sie wohnen ebenfalls in Hügeln, und zwar da, wo sich Urnen vorfinden. Solche Hügel heißen dann in der Niederlausitz Ludkowa gora, Ludkenberg, oder Ludkowa gorka, Ludkenhügel. Sie sind gutmüthig und müssen schwer gereizt werden, ehe sie den Menschen einen Possen thun. Sie borgten gern von den Menschen allerlei Hausrath und legten gewöhnlich bei der Zurückgabe ein Geschenk hinein. Wenn einer ein Butterfaß borgte, so pflegte er, weil er doch so klein war, hinein zu kriechen und sich darin fort zu kollern. Was sie sonst zu zweien transportirten, das trugen sie nicht neben einander, sondern hinter einander gehend.

Sie waren auch Spielleute und spielten eine Art Hackebrett oder Cymbal mit Tangenten. Daher besuchten sie als Musikanten und manchmal auch als Tänzer und Tänzerinnen die Freudenfeste der Menschen und brachten dann fast immer Geschenke mit. Ihr Lieblingsvergnügen war aber, in dem Hause eines Menschen bei Nachtzeit ein Gastmahl zu feiern. Wer sie zu belauschen das Glück hatte, sah sie dann durch unterirdische Gänge und Mäuselöcher zum Vorschein kommen.

Beleidigen durfte man sie alsdann nicht, wenn man sein häusliches Glück lieb hatte. Seit die Glocken eingeführt sind, sind auch die Ludki allmählich verschwunden. Sie konnten den harten Schall nicht vertragen. Eine der ersten Glocken ist die in Groß-Buckau gewesen. Dort sind alle Ludki zusammen gekommen, haben einen großen Stein aus der Erde gegraben und die Glocke zerschlagen wollen. Aber sie strengten sich zu sehr an und starben. Daher kommt's, daß es jetzt keine mehr giebt. Der ausgegrabene Stein hat dort lange vor den Fenstern eines Bauern gelegen und ist erst vor einigen Jahren beim Bauen abhanden gekommen.

Von Großkoschen geht die Sage, daß die Ludki noch in neuerer Zeit die dasigen Sorbeneinwohner heimlich und zur Nachtzeit besucht und mit ihnen geheimnißvollen Verkehr gehabt haben.

Anmerkungen: Zwerge gehen immer im Gänsemarsch. Dies berichtet auch die irische Elfensage (Keightly, mythol. II. p. 192.). Musiker brauchen sie, weil sie ja Hochzeiten, Begräbnisse und große Schmausereien feiern. Daß bei den wendischen Zwergen die musikalische Seite mehr hervortritt, liegt im Charakter dieses Volks. Alle elbischen Geister lieben Musik und Tanz (vergleiche auch die tanzenden Steinmären auf den Königshainer Bergen). Berggeister tanzen auf Matten. Der Elfengesang ist die süßeste Musik, er verführt die Jünglinge und es ist um sie geschehen. (Vergleiche Grimm, Mythologie S. 264.)

Die Wenden haben noch heutzutage eine rührende Ehrfurcht und Schonung für die Ludki. Es ist wiederholt vorgekommen, daß sie sich weigerten, bei Nachgrabungen in den Ludkenhügeln hülfreiche Hand zu leisten. Sie meinten, es sei gottlos, die kleinen Leute zu stören (Preusker I. S. 53.). Dem wendischen ludk = kleines Leutlein, armes Menschlein, entspricht der deutsche Zwergenname Wicht, d. h. Wesen, nämlich ärmliches, Wichtlein, Wichtelmännchen in Hessen und Thüringen. Er ist verwandt mit dem deutschen ljute, Leute, Gesinde. (Auch im Deutschen nennt man bei uns in der Lausitz einen kleinen Menschen spottweise ein „Lottchen“.) Sofern mit den Ludki die ausgerotteten Heiden gemeint sind, bietet das lateinische gentes, Leute, Volk, Heiden, eine interessante Parallele. Ludkenhügel, Ludgenberge zeigt man bei Sarno, Kalau, Senftenberg, am Koschenberge, bei Schipkau, Dürrwalde, Seidlitz u. a. a. O.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862