Sagen, Anekdoten und Schnurren aus dem Kreise Luckau | weiter >>>
„Es wird den Menschen von heimatwegen ein guter Engel beigegeben, der ihn, wenn er ins Leben auszieht unter der vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet“
Diese schönen Eingangsworte zur ersten Ausgabe der Grimmschen Sagen (1816) mögen auch der vorliegenden Sammlung als Geleitwort dienen. Die „wohltätige Begleitung“ ist das unerschöpfliche Gut der Sagen, die aus der Vorzeit stammen und den übrigen Erzeugnissen des schöpferisch wirkenden Volksgeistes, den Märchen und Liedern, gleichberechtigt zur Seite stehen. Wenn die Geschichte schweigt, darf die Sage reden, und was ihr den eigenen Reiz verleiht, ist die starke Vermischung des sinnlich Natürlichen und Begreiflichen mit dem Uebernatürlichen und Unbegreiflichen.
„Hören möchten wir am liebsten, was wir garnicht glauben können“ heißt es im zweiten Teil des Faust.
Da die Sage immer an einem bestimmten Ort oder an einem durch die Geschichte gesicherten Namen haftet, so hat jeder deutsche Landesteil seine besonderen Sagen, die stets die lokale Färbung der Landschaft annehmen, in der sie entstanden sind, in der sie fortleben; die Eigentümlichkeit der Bewohner, ihre Denk- und Gefühlsart, ihre Lebensweise, Sitten und Gebräuche getreulich widerspiegelnd. Während das verhältnismäßig geringe Sagenmaterial der gesamten Niederlausitz schon hier und da veröffentlicht worden ist, (durch Gander, Haupt u.a.) erscheinen in diesem Büchlein die Sagen eines Teilgebietes, des Luckauer Kreises, zum ersten Mal vollständig - soweit bei einer solchen Sammlung überhaupt von Vollständigkeit gesprochen werden kann.
Ich habe auf wiederholten Wanderungen durch den Kreis Luckau einen bunten Strauß gepflückt und alle Sagen, auch einige Anekdoten und Schnurren, die wegen ihrer Beliebtheit mit aufgenommen wurden, so aufgeschrieben wie das Volk sie erzählt, ohne eigne Veränderungen und eigenmächtige Zusätze; eine ganze Reihe erscheint hier zum ersten Male gedruckt.
Die Anordnung des Stoffes erfolgt nach gruppen; Ortsverzeichnis und Übersichtsplan erleichtern das Auffinden der einzelnen Sagen.
Der Unterzeichnete sagt allen denen besten Dank, die durch freundliche Unterstützung das Gelingen der Arbeit gefördert haben.
Die Herausgeber danken besonders dem Verlag, der sich in anerkennendster Weise durch gefällige Ausstattung und guten Druck des Büchleins in den Dienst der Sache gestellt hat.
Und nun, liebes Büchlein, mache dich auf den Weg und erwirb dir Freunde in Stadt und Land. Trage auch du dazu bei, daß der Jugend die heimliche Sagenwelt erhalten bleibt und daß bei jung und alt in dieser Zeit des endlich wiedererwachten Nationalgefühls die Liebe und Treue zur engeren wie zur großen deutschen Heimat stetig wachse, blühe und gedeihe.
Robert Scharnweber
Berlin, Pfingsten 1933
Weißt du, wer in den Bergen wohnt
Wer in den Erlenbüschen thront
Wer an dem Bach sich mit uns neckt
Wer aus den Lüften uns erschreckt
Wer in der Mühle weilt zu Gast
Wer sein Gewissen oft belast`t
Wer in den alten Schlössern wacht
Wer Unfug treibt zu Mitternacht
Wer Gott im Himmel hat versucht
Wer seine Seele selbst verflucht
Wer stets das Gute nimmt in Schutz
Wer oft dem Bösen bietet Trutz
Auf Antwort brauchst du nicht zu warten,
Die Sagen werden es verraten.