[[sagen:werra410| <<< zurück]] | **[[buch:werrasagen|Sagen der mittleren Werra]]** | [[sagen:werra412| weiter >>>]] ====== Die fliegenden Knaben in Lengsfeld ====== "An dem nach Dietlas sich hinziehenden Ausläufer des Bater", so erzählt der 83jährige Häusler Hermann von der Aue auf Hohenwart, "weideten an einem schönen Herbstabend auf einer Waldblöße bei der Wustung Waldsachsen drei Knaben aus Lengsfeld ihre kleine Rinderheerde. Als die Sonne nur noch den hohen Gipfel des Baier beleuchtete, gedachten die Knaben ein Feuer anzuzünden und stachen zu diesem Zwecke den Rasen aus. Bei dieser Gelegenheit äußerte einer der Knaben: "Ach, wenn wir doch nur ein solches Stück Eisenkuchen hätten, wie die Rasen da." Kaum war der Wunsch ausgesprochen, so trat ein fremder Mann zu den Knaben und sprach: Ihr habt Eisenkuchen gewollt, da habt ihr ihn! " und gierig griffen die Kinder zu und verzehrten die leckere Gabe mit Wohlbehagen. Als der Fremde das sah, erbot er sich, ihnen jeden Abend solchen Eisenkuchen zu bringen, wenn sie ihm nur jedesmal den Hutplatz für den andern Tag sagten. Die Kinder thaten das gerne, und der Unbekannte erschien auch am nächsten Abend und brachte ihnen wieder Kuchen, worauf er wie Tags zuvor in dem nahen Gebüsch verschwand. Kaum hatten sie den Kuchen verzehrt, so trat eine alte Frau aus Lengsfeld, die in der Nähe dort in der Erde gekrabbelt hatte, zu ihnen und versprach ihnen allerlei Kunststückchen zu lehren, wenn sie ihr nur bis zu dem unter der Liete im Thal gelegenen Brunnen folgen wollten. Sie thaten es und die Alte taufte sie mit dem Wasser des Borns, während sie eine Reihe unverständlicher Worte dazu murmelte und ihnen darauf erklärte, daß sie von nun an allerlei Ungeziefer machen könnten. Lachend kehrten die Kleinen zu ihrer Heerde zurück und trieben sie nach Hause. Am andern Morgen, als sich die Knaben auf dem Schulwege begegneten, sagte der eine: "Hört, ich fühle mich so federleicht, daß ich meine, ich müßte fliegen können als wie ein Vogel!" ",Ich auch, ich auch!" riessen die beiden Andern, und alsbald hoben alle drei die Arme empor und flogen auf der kleinen runden Mauer, die ehedem den Marktplatz von Lengsfeld umzog, hin und her. Auch in der Schule bewährten sie noch vor Ankunft des Lehrers ihre Kunst und machten auf Ersuchen ihrer Kameraden die ganze Schulstube voll Mäuse. Und als der Kantor, der bereits von dem Fliegen unterrichtet worden war, eintrat und die Knaben aufforderte, das Kunststück noch einmal zu wiederholen, flatterten sie auf und schwebten auf und nieder von einer Tafel zur andern. Der erschrockene Kantor holt sofort den Oberpfarrer herbei, der sich denn auch von dem Vorgefallenen mit eignen Augen überzeugt und die Knaben zur Rede seßt. Diese beichten arglos und offen den ganzen Hergang und theilen dem geistlichen Herrn auch noch mit, daß sie am vorigen Abend sich zu Dritt auf den in ihres Nachbars Scheune stehenden Schimmel gesezt hätten; das Pferd hätte sich alsbald losgeriffen und wäre gegen ihren Willen mit ihnen auf und davon getrabt und hätte sie zulegt an einen Ort gebracht, wo es ihnen gar gut gefallen; und nachdem sie mit dem Schimmel wieder nach Hause gekommen wären, hätten sie sich so leicht gefühlt. Der Geistliche, welcher Satans Hand vermuthete, frug die Knaben weiter, ob sie auch Ungeziefer machen könnten. Sie bejahten es und im Nu wimmelte das Kleid des Ober-Pfarrers von Läusen. Voll Entsetzen eilte der Herr zum Richter und meldete den Vorfall. Mittlerweile waren die Knaben nach Hause gekommen, um den Ihrigen das Wunder, von dem dieselben bereits gehört hatten, zu bestätigen. Als aber Georg Friedrich, des Scharfrichters Michel Webers Sohn, diesem die Sache mittheilte, entsetzte sich derselbe so sehr, daß er sein Richtschwert ergriff und dem Teufelsbündner den Kopf abschlug. Darauf grub er seinem Kinde ein tiefes Grab in dem Stalle und bedeckte es mit schweren Steinen. Die beiden andern Knaben, als sie Solches vernahmen, flogen auf und davon und Niemand hat je wieder von ihnen gehört. Jener Brunnen aber unter der Liete heißt bis auf den heutigen Tag der Hexenbrunnen." //Quellen:// * //[[autor:wucke|C. L. Wucke]] - [[buch:werrasagen|Sagen der mittleren Werra nebst den angrenzenden Abhängen des Thüringer Waldes und der Rhön]], Salzungen 1864// ---- {{tag>sagen wucke werrasagen thüringen werra v0}}