[[sagen:werra388| <<< zurück]] | **[[buch:werrasagen|Sagen der mittleren Werra]]** | [[sagen:werra390| weiter >>>]] ====== Die nächtliche Holzabzählung am Baier ====== Es war vor zwei Jahren grade um die jeßige Zeit, wo der Waldmeister blüht, als ich mit meinem Manne nach dem Baier hinauf ging, um Einbeerblätter, die so gut für die schwarzen Blattern sind, einzusammeln, und um uns nebenbei auch einmal nach der tausendfarbigen Glücksblume, die einzig und allein dort droben blühen soll, umzusehen. Aber der Baier ist gar hoch und das Umherklettern macht müde Beine, daher setzten wir uns ein wenig nieder und sprachen von dem und jenem. Da erzählte mir denn auch mein Mann, daß er von dem verstorbenen Kreiser und einigen alten Holzhauern mehrmals die seltsame Geschichte von der nächtlichen Holzabzählung am Baier, welche sich alle sieben Jahre wiederholen soll, gehört habe. Ich kenne sie noch genau. Es war auch einmal ein Schlag oben, als grade die sieben Jahre herum waren, und da von dem Holze gestohlen wurde, so hatte der Förster den Kreiser und einige Holzhauer des Nachts als Wache hinaufgestellt. Als nun unten die Glocke elf schlug, da gewahrten die Männer rings um den Berg, so weit sie nur sehen konnten, überall zwischen den Bäumen eine Menge Holz- und Reißigstöße, die auf einmal wie Pilze aus der Erde geschoffen waren, und der ganze Berg wimmelte alsbald auch von unheimlichen schwarzen Gestalten, lauter Hexenzeug und Taufelspack, das sich leise einander die Worte zuflüsterte: "das ist mein Holz!" "das ist mein Reißig!" Der Kreiser und die Holzhauer schwitzten eine volle Stunde lang zwischen dem Spuk, denn es wagte vor Angst keiner, nur einen Fuß fortzusehen. Endlich schlug die Glocke drunten im Thal zwölf, und Alles war auf einmal verschwunden, das Holz, das Reißig sammt den schwarzen Gestalten. Kaum aber hatte damals mein Mann das letzte Wort der Geschichte über die Zunge, so sezte sich auch schon ein großer, beinklapperdürrer Has'- und ein Hase ist doch sonst ein furchtsames Thier uns Beiden grade gegenüber, machte ein Männchen und sah uns ganz dreift in die Augen, gleich darauf saß ein zweiter neben dem ersten und überall knitterte und knatterte es in den Gebüschen. Da überfiel mich eine solche Angst, daß ich mein eigenes Herz klopfen hörte. Ich raffte hurtig mein ""Kräutig" " zusammen, faßte meinen Mann am Arme und nun ging's Hals über Kopf den Berg hinunter. Mich bringen keine zehn Pferde wieder hinauf." //Quellen:// * //[[autor:wucke|C. L. Wucke]] - [[buch:werrasagen|Sagen der mittleren Werra nebst den angrenzenden Abhängen des Thüringer Waldes und der Rhön]], Salzungen 1864// ---- {{tag>sagen wucke werrasagen thüringen werra v0}}