[[sagen:werra364| <<< zurück]] | **[[buch:werrasagen|Sagen der mittleren Werra]]** | [[sagen:werra366| weiter >>>]] ====== Der Westheimer Wetstein ====== Zu Kaltenwestheim in der Straße, die nach Kaltennordheim führt, steht rechts, dicht vor einem der letzten Häuser ein Denkmal weiblicher Schlauheit und Tapferkeit, das bis in die neueste Zeit oft Veranlassung zu allerlei Witzeleien und selbst blutigen Händeln gegeben; vom Volke schlechthin der Westheimer Wetstein genannt. Es ist dies eine viereckige, gegen 67 Fuß hohe Sandsteinsäule, vor der noch ein eingerahmtes Bruchstück eines andern Gesteins einen halben Fuß hoch aus der Erde sich erhebt. Die Geschichte, so wie der Volksmund erzählt Nachstehendes darüber. Als nämlich der unruhige Graf Heinrich XII. von Henneberg((Geboren 1422, gest. 1475)) sich mit seinem Bruder Wilhelm III. wegen seiner, Erblande abgefunden hatte und in den geistlichen Stand getreten war, mochte ihm nach seines Bruders Tod dieser Schritt wieder gereut haben; denn er erschien damals plötzlich eines Lages in seiner Heimath, sezte sich mit Gewalt widerrechtlich in den Besiz des Schlosses und Amtes Kaltennordheim und behauptete sich in demselben((Durch Vergleich am 25. Juli 1445)) auf Lebenszeit. Da aber der unruhige Herr bald mit Diesem, bald mit Jenem Streit begann, so that sich der umwohnende Adel((Unter Hanno v. Urf, Hermann v. Lüderbach u. Weigand v. Holzheim. 1463)) zusammen, verwüstete das Amt Kaltennordheim und berannte das Schloß Meerlins, welches damals hauptsächlich von den mit ihren Frauen hierher geflüchteten Männern aus Kaltenwestheim tapfer vertheidigt wurde. Als aber endlich die Vertheidiger, gänzlich erschöpft, dem Feinde keinen Widerstand mehr zu leisten vermochten, und das Schloß so diesem in die Hände fallen mußte, traten auf einmal die Frauen an die Stelle der Männer und verbrühten den stürmenden Adel dermaßen mit siedendem Wasser, daß dieser sein Vorhaben aufgeben und abziehen mußte. Zum Dank für die Rettung seines Schlosses stellte hierauf Heinrich den tapferen Frauen die Wahl frei zwischen einer Ehren- und Gedenksäule und dem Marktrechte für ihren Ort. Die Weiber wählten die erstere. Doch kaum war diese errichtet, so wurden die Männer von Westheim von der Umgegend als Ohnmächtige und Feige verspottet; ja schon ein bloßer Schlag oder ein Wetzen an der Säule wurde für eine Andeutung an die angebliche Schmach der Männer angesehen, was Veranlassung zu allerlei Zänkereien und sonstigen bösen Händeln gab. Und als endlich die Beleidigten Klage darüber bei Heinrich führten, so entschied dieser, man solle die Westheimer in Ruhe lassen und wer das Necken fortsetzte, solle in der Weiber Strafe verfallen. Die dem Steine zunächst wohnende Frau aber ernannte er zur Steinschulzin, ließ an deren Haus ein Glöcklein anbringen und die anderen Frauen mit langen hölzernen Fangzangen versehen. Kam nun wieder eine Neckerei vor und die Schulzin läutete das Glöcklein, so stürzten sämmtliche Frauen mit ihren Zangen aus den Häusern, fingen den Frevler ein und durften ihn in einem in der Nähe des Steines stehenden Troge so lange baden, bis er sich mit einem Essen für die Weiber losgekauft hatte. Als jedoch trotzdem die Spöttereien kein Ende nahmen und die Männer derselben längst müde geworden, soll ein gewisser Hörning in einer Nacht das Denkmal unter Dünger versteckt, auf seinen Acker gefahren und dort vergraben haben, soll aber, nachdem es die Weiber entdeckt hatten, von diesen genöthigt worden sein, dasselbe sofort wieder an Ort und Stelle zurückzubringen. Ein andermal stahlen den Stein, wie erzählt wird, die Jäger des Kurfürsten Johann Georg I., wobei er in zwei Stücke brach. Die Weiber brachten es jedoch bei dem Kurfürsten nicht nur dahin, daß ihnen die Räuber einen neuen Stein an die Stelle des alten sehen lassen mußten (bei welcher Gelegenheit die eine Hälfte des früheren Steines als Fundament, die andere eingerahmt vor demselben niedergelegt wurde), sondern auch dahin, daß der erwähnte Herr ihre Rechte von Neuem bestätigte. Bei einem in späterer Zeit durch den Pfarrer von Westheim im Auftrag unternommenen Versuch, den Stein so vielen Anstoßes zu beseitigen, vertheidigten jedoch die Weiber denselben tapfer, gaben aber ihr sonstiges verbrieftes Recht unter der Bedingung auf, daß ihnen von nun an gestattet würde, eine Geldbuße von den Spöttern zu erheben, welche zu einem, jährlichen Feste für die Frauen bestimmt würde. //Quellen:// * //[[autor:wucke|C. L. Wucke]] - [[buch:werrasagen|Sagen der mittleren Werra nebst den angrenzenden Abhängen des Thüringer Waldes und der Rhön]], Salzungen 1864// ---- {{tag>sagen wucke werrasagen thüringen werra v0}}