[[sagen:werra264| <<< zurück]] | **[[buch:werrasagen|Sagen der mittleren Werra]]** | [[sagen:werra266| weiter >>>]] ====== Vom gespenstigen Grafen von Frankenberg ====== "Die alte Kräuterev ging eines Morgens in aller Früh, ich glaube, es war Pfingsten nach dem Schloßberge hinauf, um Heilkräuter zu suchen," erzählte ein Holzhauer. "Da hörte sie plötzlich einen unheimlichen Schrei oder Pfiff hoch über sich in der Luft. Im ersten Schreck dachte sie, daß dies von dem Wanderfalken, der schon seit undenklichen Jahren droben auf dem Thurme horstet, herkomme. Sie raffte ihre Schürze mit den Kräutern zusammen und schaute nach der Höhe. Wer aber schildert ihren Schreck, als sie droben in dem Fensterloche den alten Grafen stehen sieht, der ihr jetzt eine Menge goldgelb schimmerndes Zeug herunterwirft und ihr dann gar freundlich winkt, zuzulangen. Die Ev' aber stand wie versteinert auf dem Platze und konnte kein Auge von dem vornehmen Herrn verwenden; denn daß er das war, das zeigte deutlich sein Anzug und das stolze, vornehme, dabei aber immer freundliche Benehmen. Er trug, so erzählte sie mir, ein prächtiges, kurzes, grünes Jagdkleid mit vielen dicken Knöpfen, die wie die lieben Sternlein am Nachthimmel glitzerten, um den Leib einen Gürtel mit einem prächtigen Jagdmesser, hohe Reiterstiefel und einen breitkrämpigen Hut mit einer weißen Feder. Die Ev' mochte lange gestanden haben, aber immer noch winkte ihr die Gestalt näher zu treten und zuzulangen. Da überlief es sie auf einmal wieder eiskalt. Ja, dachte sie, es kann nicht anders sein, das ist ein Blendwerk der Hölle. Der Böse will dich in Versuchung führen. Schnell riß sie sich von der Erscheinung los und lief, was sie nur laufen konnte, den Schloßberg hinunter und betete ein Vaterunser in ihrer Kammer. Aber nie ist sie wieder allein hinauf nach dem alten Schlosse gegangen." Ein andermal erschien der alte Graf von Frankenberg dort droben in der Fensteröffnung zwei andern Frauen aus Helmers, die in der Nähe des Thurmes graseten. Diesen winkte der Burgherr näher zu kommen. Die aber hatten keine Lust, reckten die Zunge gegen ihn heraus und wünschten ihn zum Kukuk und seiner Großmutter. Darüber wurde der alte Herr zornig und stampfte mit dem bespornten Fuß so heftig auf, daß es klirrte, der Thurm in seinen Grundfesten erbebte und ein mächtiger Stein bis zu den Füßen der erschrockenen Weiber herabrollte. //Quellen:// * //[[autor:wucke|C. L. Wucke]] - [[buch:werrasagen|Sagen der mittleren Werra nebst den angrenzenden Abhängen des Thüringer Waldes und der Rhön]], Salzungen 1864// ---- {{tag>sagen wucke werrasagen thüringen werra v0}}