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 +====== Von der weißen Frau auf dem Kraienberg ======
  
 +a) "Wir hatten vördessen einen alten Nachbar," so erzählt die Botenfrau von Tiefenort, "der war herrschaftlicher Holzhauer und ein gar rechtschaffener und fleißiger Mann. Der hat uns nun gar zu vielmal erzählt, daß sie einmal droben am "Kleinbärk" einen Schlag machten, und wie er da, weil seine Kameraden noch nicht am Plaze waren, so bei sich dachte: Willst einmal vollends hiņaufgehen nach dem alten Schlosse und den Aufgang der Sonne betrachten, da habe er droben auf dem "Hückel", wo der Keller drunter ist, richtig die weiße Frau sitzen sehen. Es sei ihm freilich ein Bischen gruselig geworden, doch habe er sich, wie sie ihm gewinkt, ein Herz gefaßt und sei in Gottes Namen zu ihr hingegangen. Die Frau wäre aber immer mehr zurückgewichen. So, sagte er, sei er endlich auf den Platz gekommen, wo er sie zuerst gesehen habe. Dort aber hätte er fast den Tod an dem Hals gehabt. Der Boden sei auf einmal unter ihm gewichen und ein paar Steine seien in den Hückel hineingepoltert, und er habe sich nur mit Mühe oben erhalten können. Da wäre auch die weiße Frau plöglich verschwunden gewesen. Er hätte dann seine Kameraden herbeigeholt und ein Stück weggeräumt. Da hätten sie denn auch die starke hölzerne Kellerthür gefunden. Einer von ihnen habe darauf den großen Schlüssel, der im Schlosse steckte, umgedreht und die Thüre aufgestoßen. Im Keller aber sei nichts zu sehen gewesen, als die vorher eingestürzten Steine, ein paar alte Fässer und in jedem derselben noch ein Rest von Erbsen und Linsen. Einer von ihnen habe das Zeug mit nach Hause für die Hühner nehmen wollen, habe es aber liegen lassen, weil die Andern meinten, daß es dem Vieh schaden möchte. Als sie später im Dorfe dies erzählt hätten, wären sie für dumm gescholten worden, und Viele wären nach dem alten Schlosse hinaufgelaufen, um das Gold und Silber wegzuschnappen, aber nicht Einer habe ein Faß mehr stehen gesehen.
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 +b) "Der Schneider von Kieselbach", so erzählt der alte Valtin aus Dönges, "war kein "Schwuttenmacher", sondern ein richtiger Mann, deren es heutiges Tages wenige mehr giebt. Der hatte auch einmal mit der weißen Frau auf dem "Kleinbärk" zu thun gehabt. Er hatte nämlich Unglück mit seinen Weibsleuten. Von zweien war er geschieden worden; bei der dritten aber, die auch nicht in der Ordnung war, thaten es die Herren nicht. Da zog er in die obere Stube und ließ seine Frau unten stizen.
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 +Nun schlief eine Frau, die bei dem Schneider zur Miethe wohnte, oben auf dem Vorplatze. Die erzählte drei Morgen hinter einander ihrer Hausfrau unten, daß in der vergangenen Nacht eine weiße Frau ganz verschleiert und mit weißen Handschuhen an den Händen die Treppe heraufgekommen, an ihrem Bette vorübergegangen und in die doch jedesmal verschlossene Stube des Meisters eingetreten sei. Darauf habe sie jedesmal den Schneider gar arg "hienern" (wimmern) hören. Eine Weile darauf sei dann die weiße Frau eben so still wieder die Treppe hinuntergeschlichen. Und so war's richtig auch gewesen. Es war keine andere als die vom alten Schloffe. Sie hatte dem Schneider gesagt, daß sie nun schon über 400 Jahre dort droben verwünscht sei und in ihm endlich den rechten Mann gefunden habe, der sie erlösen könnte, und thäte er es nicht, so müßte sie noch einmal 400 Jahre lang warten. Er möchte daher getrosten Muthes in der folgenden Nacht hinauf zum alten Schlosse gehen, dort wollte sie ihm dann in dem alten Keller das Weitere mittheilen. Dem Schneider war dabei aber nicht wohl zu Muthe. Er schwankte lange hin und her. So kam der Abend endlich heran, und er entschloß sich, auf den Berg zu gehen, ohne dem Einen oder Andern etwas davon zu sagen. 
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 +Mutterseelenallein stand er bald darauf vor dem Keller und vor ihm die weiße Frau mit einem bildschönen Kinde an der Hand. Sie hieß ihn willkommen und eintreten. Der Schneider that, wie ihm geheißen. Dann zeigte die Frau mit dem Finger auf eine Stelle des Fußbodens und sprach: "Komme am neunten Tage von heute an wieder hierher, bringe aber eine Hacke mit, thue hier drei Schläge auf diesen Platz und ich werde Dir dann sofort wieder erscheinen. Du darfst Dich aber nicht vor mir entsetzen, denn ich komme Dir nicht wie heute, sondern in einer andern Gestalt und geharnischt vor. Es geschieht Dir kein Leid, Du wirst vielmehr einen reichen Schatz heben, mit dessen Hülfe Du dann auch Deine dritte Frau los werden kannst. Das verlange ich von Dir. Doch halte gegen Jedermann reinen Mund! Und hiermit war Frau und Kind verschwunden. Der Schneider, dem es hierbei immer gruseliger wurde, eilte nun so schnell wie möglich nach Haus. An Schlaf aber war nicht zu denken. 
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 +Die Geschichte lag ihm 8 Tage lang schwer im Gemüthe. Da erzählte er es endlich am neunten Tage seinem Schwager und noch einem Vetter. Die erboten sich mit ihm zu gehen. Als sie aber darauf den Keller betraten, war es ihnen, als bräche draußen der ganze Wald und über ihnen das ganze Gewölbe zusammen, und der Schneider stürzte auf den von der Frau bezeichneten Fleck so hart der Länge nach hin, daß er durch den Sturz sogar ein Hand großes Stück aus einem seiner dunkelblauen Strümpfe verlor und daß er sich so arg prellte, daß ihn die beiden Anderen mehr todt als lebendig wegtragen mußten. 
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 +Trotzdem ließ es den Schneider immer noch nicht ruhen, denn er holte später noch einen Jesuiten aus dem Fuldaischen, mit welchem er sich dann in Begleitung der beiden Andern wieder hinauf in den Keller machte. Dort beschrieb nun der Pfaff einen Kreis, ließ die drei zu sich hineintreten und begann aus einem alten Buche zu lesen. Und nun ging der Spektakel wieder los. Es war ein gewaltiger Sturm. Dann erschien auch der Geist, wie ein graues, schrecklich geharnischtes Thier aussehend, mit dem Kopf und den kurzen, schwarzen Hörnern eines jungen Brüllers. Das Ungeheuer lief wie toll um den Kreis herum, und wenn es an den Schneider kam, dann drückte und rieb es sich grade so an ihm herum, wie sich ein Stück Vieh an einem Baum west, so daß Allen angst und bange wurde. Zuletzt verlor der Schneider darüber die Besinnung und stürzte zu Boden, und als er wieder zu sich kam, hatten ihn die Andern weit von dem Keller in den Wald niedergelegt. Alle waren aber froh, daß sie noch ganzbeinig davon gekommen waren. Der Jesuit machte sich aus dem Staube und die Andern haben nie wieder von der Sache gesprochen. Seit jener Zeit war es mit der Gemüthsruhe des Schneiders vorbei."
  
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