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+ | ====== Das Mädchen an der Eiche ====== | ||
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+ | K. v. Orsbach | ||
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+ | Dort unten im Thale am Eichbaume liegt\\ | ||
+ | Ein Mädchen bei nächtlicher Stunde,\\ | ||
+ | Es schläft, ach, so ruhig, mit bleichem Gesicht,\\ | ||
+ | Im Herzen die blutende Wunde.\\ | ||
+ | Der Wanderer, der dort vorüberzieht, | ||
+ | Ruft, wenn er das schlafende Mädchen sieht,\\ | ||
+ | Vor Schrecken ein ängstlich O wehe!\\ | ||
+ | Und eilt aus dem Thale zur Höhe.\\ | ||
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+ | In eben dem Thale ein Hüttchen einst stand, –\\ | ||
+ | Die Sage noch laut es verkündet –\\ | ||
+ | D'rin pflegte die Tochter mit liebender Hand\\ | ||
+ | Den Vater, der alt und erblindet.\\ | ||
+ | Sie war so voll Anmuth, lieblich und schön,\\ | ||
+ | Wie nie mehr im Thale ein Mädchen geseh' | ||
+ | Ein Bildniß aus lichtern Welten, –\\ | ||
+ | Dafür konnt' Belinde wohl gelten.\\ | ||
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+ | Der Ritter, Hans Kuno von Rabe genannt,\\ | ||
+ | Die schöne Belinde erspähte; | ||
+ | Er wurde von sinnlichen Lüsten entbrannt, | ||
+ | Um Liebe er heuchlerisch flehte;\\ | ||
+ | Doch stets der Jungfrau unschuldig Gemüth\\ | ||
+ | Das Gift der Hochmuth und Sinnelust flieht;\\ | ||
+ | Und streng ward der Ritter beschieden: | ||
+ | „Laßt, Ritter, mich Arme in Frieden!“\\ | ||
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+ | Amynt war der sittsamste Schäfer im Thal,\\ | ||
+ | Und innig geliebt von Belinden.\\ | ||
+ | Es billigte segnend der Vater die Wahl,\\ | ||
+ | Und Thränen entquollen den blinden,\\ | ||
+ | So lange umflorten Augen gar heiß,\\ | ||
+ | Und bald drauf ging der erblindete Greis\\ | ||
+ | Hinüber zum Lande der Wonne\\ | ||
+ | Und sah dort die ewige Sonne.\\ | ||
+ | |||
+ | Da trugen Amynt und Belinde zum Grab\\ | ||
+ | Des Vaters erkaltete Leiche;\\ | ||
+ | Und wie sie sie senkten zur Tiefe hinab,\\ | ||
+ | Da sprang aus dem nahen Gesträuche, | ||
+ | Gejagt von der Rüden wild-hetzender Schaar,\\ | ||
+ | Ein Hirsch, der die Zierde des Waldes wohl war,\\ | ||
+ | Mit königlich stolzem Geweihe,\\ | ||
+ | Und suchte gar ängstlich das Freie.\\ | ||
+ | |||
+ | Und schnell ihn verfolgte der Ritter zu Roß,\\ | ||
+ | Der Ritter Hans Kuno von Rabe,\\ | ||
+ | Er spannte mit hastiger Eil' das Geschoß,\\ | ||
+ | Legt an – da erblickt er am Grabe\\ | ||
+ | Amynt und Belinde schmerzlich vereint,\\ | ||
+ | Sieht wie hier die treueste Liebe weint,\\ | ||
+ | Da brennt' | ||
+ | Er schießt, – und Amynt stürzt zusammen.\\ | ||
+ | |||
+ | „Amynt, mein Amynt, o, verlasse mich nicht!“\\ | ||
+ | Ruft jammernd die arme Belinde.\\ | ||
+ | Es röchelt Amynt; ach, das Auge ihm bricht, –\\ | ||
+ | Da greift Belinde geschwinde\\ | ||
+ | Den Pfeil in des Wahnsinns tödtendem Schmerz,\\ | ||
+ | Und bohret ihn tief sich in's sterbende Herz,\\ | ||
+ | Sinkt nieder am Fuße der Eiche; –\\ | ||
+ | Die schöne Belinde – eine Leiche!\\ | ||
+ | |||
+ | Da liegt sie, wie schlafend, noch oftmals bei Nacht,\\ | ||
+ | Sanft rieselt das Blut aus der Wunde;\\ | ||
+ | Um Mitternacht kommt dann die grausige Jagd,\\ | ||
+ | Der Hirsch und die hetzenden Hunde,\\ | ||
+ | Ein feuriger Ritter auf feurigem Pferd,\\ | ||
+ | Mit feurigem Bogen und feurigem Schwert, –\\ | ||
+ | Er reitet vorüber im Trabe,\\ | ||
+ | Soll sein der Ritter von Rabe.\\ | ||
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+ | //Quelle: [[autor: | ||
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