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+ | ====== Prinzessin Svanvithe ====== | ||
+ | Nach Arndt, Jugenderinnerungen Bd. I. S. 10 etc. [II. Ausg.] | ||
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+ | Bei Garz, einem kleinen Städtchen auf der Insel Rügen, wo jetzt der Wall über dem See ist, hat vor vielen tausend Jahren ein großes und schönes Heidenschloß gestanden mit herrlichen Häusern und Kirchen, worin sie ihre Götzen gehabt und angebetet haben. Dieses Schloß haben aber dann die Christen eingenommen, | ||
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+ | Zu der Zeit, als das Garzer Heidenschloß von den Christen belagert ward und bereits so bedrängt war, daß mehrere seiner Thürme den Einsturz drohten und die Bewohner desselben schon nur sehr wenig noch zu essen hatten, da herrschte da drinnen der eisgraue Vater des Königs von Rügen. Er konnte weder mehr hören noch sehen und sein einziges Vergnügen bestand darin, in den Edelsteinen und Goldhaufen zu wühlen, welche tief unter der Erde in einem kostbaren aus Marmor und Krystall gebauten Saale aufgespeichert lagen. Während nun aber oben gekämpft ward und auch der König, des alten Mannes Sohn, mit vielen andern seiner streitbaren Männer unter dem Schwerte der Christen sein Leben lassen mußte, saß der Alte da unten bei seinen Schätzen. Er hatte die Thüren und Treppen, die dort hinabführten, | ||
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+ | Nun wohnte aber zu derselben Zeit ein König in Bergen auf Rügen, der eine wunderschöne Tochter hatte, welche Svanvithe hieß und deren Schönheit unzählige Freier nach der Insel lockte. Allein sie schwankte lange hin und her, ehe sie sich für einen derselben entschied. Dies war Herr Peter, ein Prinz von Dänemark, ein stattlicher Herr, und bald fand denn auch die Verlobung statt. Es war aber gleichzeitig auch noch ein polnischer Prinz am Hofe des Königs, der hatte lange Jahre vergeblich um die schöne Prinzessin gefreit und aus Rache darüber, daß ein Anderer als er ihre Hand erhalten solle, wußte er sowohl dem alten König als dem ganzen Hofe glauben zu machen, Svanvithe sei keine Jungfrau mehr, sondern habe lange schon heimlich mit ihm verbotenen Umgang gepflogen. Als dies Herr Peter hörte, gab er ihr ihr Wort zurück und zog auf und davon. Der König aber ward zornig über die Schande, die seinem Hause widerfahren war und befahl seinen Dienern, seine ungerathene Tochter ihm aus den Augen zu schaffen. Er ließ nun in einem mit dichten Mauern umschlossenen und von dichten Bäumen beschatteten Garten einen hohen Thurm aufführen, wo weder Sonne noch Mond hineinschien, | ||
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+ | Als sie so gesprochen hatte, da winkte der König dem Wächter leise zu und alsbald kamen Frauen und Dienerinnen herbei und trugen sie weg in ein Seitenzimmer. Dort ward sie auf ein kostbares Lager gebettet und mit den besten Speisen und Getränken bewirthet und mit königlichen Gewändern bekleidet, und der Wächter raunte ihr zu, daß ihr Vater ihr die mitternächtliche Wanderung gestatte. Sprechen durfte sie jedoch nicht und Niemand durfte mit ihr reden, nur der Wächter, der ihr im Thurme die Speisen gebracht hatte, durfte zu ihr und dieser allein wußte, wer sie war. | ||
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+ | Indeß waren vierzig Tage vergangen und der Tag vor Johannis kam heran, da ging sie zu dem König, ihrem Vater und sagte ihm Lebewohl. Beide aber weinten bitterlich, denn sie wußten nicht, ob sie einander wieder sehen würden. Sie verkleidete sich aber nun als ein gewöhnlicher Reiterbube und ging so von Bergen nach Garz, und als es vom Garzer Kirchthurm Zwölf geschlagen hatte, da stand sie auf dem Walle, legte ihre Kleider ab, so daß sie ganz nackt dastand, nahm eine Johannisruthe in die Hand und schlug damit rückwärts. Noch war sie nicht weit geschritten, | ||
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+ | So sind viele Jahre vergangen, da hörte man auf einmal, die Prinzessin lebe noch und sitze unter dem Garzer Walle in der Schatzkammer und müsse nun mit dem alten grauen Urgroßvater die Schätze hüten helfen. Sie kann aber, sagt man, erlöst werden, wenn einer es wagt, auf dieselbe Weise, wie sie einst in der Johannisnacht es gethan hat, in die verbotene Schatzkammer hinabzufallen. Dieser muß sich dann dreimal vor ihr verneigen, ihr einen Kuß geben, sie an der Hand fassen und still hinausführen, | ||
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+ | Es haben aber schon Manche versucht, sie zu erlösen, es ist aber bis jetzt Keinem gelungen und daher sitzt sie jetzt da unten über Goldhaufen gebeugt, ihr langes Haar hängt ihr über die Schultern hinab und sie weint unaufhörlich, | ||
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